Pfarrhaus
Das Pfarrhaus bildet ein wichtiges Bauwerk im Kirchenbezirk an der Kirchgasse von Zweisimmen. Zusammen mit Kirche, Beinhaus, Friedhof sowie Kirchgemeindehaus bildet das Pfarrhaus ein einmaliges Ensemble. Im Bauinventar der Gemeinde Zweisimmen als Baugruppe A klassiert.
Aufgrund des schlechten Zustandes der Fassade wurde um 2008 mit Überlegungen zur Sanierung des Pfarrhauses begonnen. Eine erste wärmetechnische Sanierung der Fassaden wurde verworfen, da sie nicht mit den Prinzipien des Denkmalschutzes vereinbar war..
Das heutige Bild des Pfarrhauses mit dem neugestalteten Garten ist das Resultat einer aufwendigen Sanierung von 2010 bis 2013. In 3 Etappen wurde das Pfarrhaus unter denkmalpflegerischen Aspekten saniert. Trotz dieser, oft als Einschränkung dargelegten Begleitung der Kantonalen Denkmalpflege und des Archäologischen Dienstes des Kanton Bern, konnte eine zeitgenössische und energiesparende Sanierung umgesetzt werden. Das Erscheinungsbild von aussen sowie auch die Gestaltung im inneren wurden massiv aufgewertet.
Zeittafel
- Erstellung wohl um 1481 (parallel zu Beinhaus)
- Vor 1823 Neue Befensterung der repräsentativen Hauptfassade (Ost)
- 1940 Wiederherstellung nach Brand
- 2010 Umbau Pfarrhaus und Sanierung Fassade
- 2011 Sanierung Heizung Keller
- 2012 / 2013 Gartensanierung, Neugestaltung am barocken Pfarrhausgarten orientiert
Wiederherstellung nach Brand von 1940
- Neue Dachkonstruktion auf Mauerkrone
- Fassadenveränderungen auf Ost, Süd und Nordfassade
- Möglicherweise neuer Laubenanbau
- Neuer Ausbau in Holz
Fassadensanierung und Umbau von 2010
- Demontage Zementputz und anbringen von Dämmputz
- Kalkfarbe mit wieder aufgemalten Ecklisenen in Lasurtechnik
- Sanierung der Tuffsteingewänden
- Sanierung Küche und Bäder
- Renovation Böden und Wände
Einbau neue Heizung 2011
- Ersatz Oelheizung mit Pelletheizung
- Ausbruch Oeltank und Einbau Pellettank
- Sanierung Keller und Einbau Archiv
Umgestaltung Garten und Ersatz Teehaus 2012 / 2013
- Gartenkonzept zum Thema barocke Gartenanlage
- Ersatz Teehaus und Neubau Gartenhaus
- Hochbeete in eingezäuntem Garten
- Bepflanzung mit einheimischen Sträuchern und Obstbäumen
- Neuer Vogelbrunnen
- Retentionsbecken für Dachwasser Pfarrhaus
- Regenwassertank für Nutzung von Dachwasser
Archäologischer Befund
Beim Baustart im Jahre 2010 wurde an der Fassade der zementöse Aussenputz entfernt, welcher nach dem Brand von 1940 angebracht wurde. Anschliessend wurde die Fassade durch den Archäologischen Dienst des Kanton Bern analysiert und zeichnerisch aufgenommen.
Vor den eigentlichen Bauarbeiten im Jahre 2010 wurden die Fassaden einer Bauuntersuchung durch den Archäologischen Dienst des Kantons Bern durchgeführt. Diese Arbeiten wurden in einem Schlussbericht (Nr. 050.006.2010.01) festgehalten.
Der Befund kann wie folgt zusammengefasst werden:
Spätgotischer Kernbau (spätes 15. / frühes 16. Jh., wohl um 1481)
- Beim bestehenden Grundriss des heutigen Pfarrhauses handelt es sich um den ältesten nachweisbaren Befund. Der dreigeschossige Rechteckbau misst 14.5 mal 11.5 Meter. Er ragt ab dem Fundamentvorsprung rund 8.8 Meter aus dem Boden. Beim Mauerwerk handelt es sich um ein Zweischalenmauerwerk mit einer Mauerdicke von 85 bis 90 cm. Zum Bau wurden ausschliesslich Flusskiesel verwendet. Diese sind lagig aneinandergereiht, stellenweise im Ährenverband erstellt worden. Lediglich die Eckquader wurden aus sorgfältig behauenen Tuffquadern gefertigt. Alle 4 Gebäudemauern wurden miteinander im Verband gemauert.
- Die beiden hochrechteckigen Kellerfenster gehören zur Originalsubstanz und sind durch sorgfältig behauene Tuffquader ausgebildet.
- Originale Fensterteile auf der Ostfassade (EG) belegen, dass die Befensterung symmetrisch angeordnet war, und diese Fassade somit die repräsentative Gebäudeseite war und ist. Die erhaltenen Fensterfragmente zeigen einen spätgotischen Steinbehau.
„Pietra Rasa“ – Verputz
- Der „Pietra Rasa“ – Verputz konnte auf allen Fassaden belegt werden und wird als Originalsubstanz bestätigt. Auf der Süd- und Ostfassade ist dieser Flächendeckend erhalten. Nord- und Westfassade lediglich an kleinen Stellen kaum erkennbar. Er ist mit einem originalen, in den noch weichen Putz eingekratzten Fugenstrich ausgestattet. Der Fugenstrich ist mit ocker roter Farbe nachgezeichnet, welche wohl auch Originalbestand ist. Fugenstrich und Bemalung ist mit demjenigen am Beinhaus identisch.
- Bauarchäologisch ist das Pfarrhaus nicht datiert, da nie originales Holz dokumentiert werden konnte. Kunsthistorisch wird das Pfarrhaus allein ins Mittelalter datiert. Der Befund bestätigt und präzisiert diese Annahme. Der Mauercharakter und die Art des „Pietra Rasa“ – Verputzes bringen jedoch eine identische Machart wie beim Beinhaus Zweisimmen an den Tag. Es kann davon ausgegangen werden, das dieselbe Bauequipe Beinhaus und Pfarrhaus errichtet hat. Und da das Beinhaus dendrochronologisch ins Jahr 1481 datiert werden konnte, spricht alles dafür, dass parallel dazu, möglichweise ebenfalls 1481, das Pfarrhaus entstand.
Einbau Abort-Erker (16. / 17. Jh.)
- An der Westfassade im Bereich der heutigen Toiletten sind Reste von Leibungen zum Vorschein gekommen. Diese deuten darauf hin, dass in diesen Bereichen ehemalige Abort-Erker angebracht waren.
Neue Befensterung (18. / 19. Jh., vor 1823)
- Aquatinta Weibel 1823: Die Befensterung an der wichtigen Ostfassaden sind bereits verändert.
- Brandrötung an Fenstergewänden (Ostfassade 2. OG) deuten darauf hin, dass die Befensterung vor dem Brand von 1940 erfolgt sein muss.
Diverse Ein- und Umbauten 19. / 20. Jh.)
- Vorgängerlaube oder Vordach werden umgebaut
- Fenster- und Türeinbauten wurden angebracht. Auf der Südfassade können diese noch erahnt werden. Die Kalksteingewände deuten auf diese Einbauten hin.
- Fensterneu- und umbauten und Festervermauerungen sind an Süd- und Westfassade angebracht worden.
- Neue Toiletten Erschliessung im Bereich der Abort-Erker.
Moderne Eingriffe (nach Brand 1940)
- Dachkonstruktion, Laubenanbau und wohl auch Ausbau
- Fenster Südfassade 2. Obergeschoss sind Eingebaut worden. Dies kann, anhand Bildmaterial von 1940, also vor dem Brand, dargelegt werden.
Quellen
- Zweisimmen, Ryser Bernhard, 1991, Blankenburg
- Schlussbericht zur den Bauuntersuchungen an den Aussenfassaden, Nr. 050.006.2010.01, ADB
- Plan- und Fotodokumentation Kantonale Denkmalpflege Bern
- Archiv Matthias Trachsel, Dipl. Architekt FH, atelier werkidee trachsel, Zweisimmen, Baubegleitung Umbauten 2010 bis 2013
- Fotoarchiv Urs Mathys, Gemeindeschreiber, Zweisimmen
Bilder
- Fliegeraufnahme Postkarte Archiv Urs Mathys
- 2751 Partie von Zweisimmen, Archiv Urs Mathys
- Stich Weibel 1823, CH-000001-5GS-GUGE-WEIBEL-D-160b
Im Januar 2015, Matthias Trachsel, Dipl. Architekt FH